Mit rotem Barret und Fäkalhumor zielsicher ins Lebensgefühl von Österreichs Millennials: Stefanie Sargnagel hat mit ihren Statusmeldungen in den sozialen Medien längst Kultstatus erreicht. Die Wiener Autorin teilt im Netz Erlebnisse aus ihrem Alltag, seien es Absurditäten aus dem Callcenter, Beobachtungen im Stammbeisl oder Reflexionen auf das feministische Literatinnendasein. Mit nur wenigen Worten enthüllt sie pointiert gesellschaftliche Phänomene. Nun hat das Regie-Duo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl mit „Sargnagel – Der Film“ eine Sammlung von Social-Media-Posts der Ausnahmeautorin als Spielfilm inszeniert. Aber kann das funktionieren? Das Ergebnis kann man ab heute im Kino betrachten.

von Paul Kunz

Bei „Sargnagel – Der Film“ handelt es sich um eine Mockumentary, die einen Spielfilmdreh über das Leben der Stefanie Sargnagel zu dokumentieren vorgibt. Dementsprechend meta ist auch die Besetzung: Stefanie Sargnagel spielt Stefanie Sargnagel. Hilde Dalik spielt Hilde Dalik, die unter der Regie von Michael Ostrowski die Rolle der Sargnagel übernehmen will: „Endlich einmal so zunehmen wie die Zellweger!“ Dalik ist in einer Doppelrolle und sehr lässigen Performance auch als abgefuckte Schauspielerin und Stefanies beste Freundin Mercedes zu sehen. Ebenfalls an Bord sind Alexander Jagsch als eigentümlicher Boyfriend, David Scheid als verpeilter Manager und Voodoo Jürgens als Voodoo Jürgens.

Dieses pseudo-dokumentarische Meta-Konzept ist kreativ, macht Spaß und erlaubt eine clevere Doppelbödigkeit, die den Film durchzieht. Stefanie Sargnagels Statusmeldungen folgend erzählt der Film einerseits biographisch aus dem Leben der Autorin, der fiktive Filmdreh erlaubt darüber hinaus jedoch einen satirischen Blick auf die österreichische Filmindustrie und gibt den eher sketch-artigen Szenen Struktur. Aber es ist eine zweischneidige Angelegenheit, wie der Film selbst sogar zu wissen scheint: in einer spaßigen Szene, die enorm an Bilder des 2019er Ibiza-Skandal erinnert, konspiriert die fiktive Filmcrew im Hinterzimmer, welche Facette der Kunstfigur Sargnagel hochgespielt werden und wie ihre Ambivalenzen heruntergebrochen werden müssen, um den Film erfolgreich werden zu lassen. Derartige selbstreflexive Spielereien sind ein Benefit der Rahmenhandlung um den fiktiven Filmdreh, doch ironischerweise droht selbige Rahmenhandlung allzu oft von dem abzulenken, was Stefanie Sargnagel und ihre Komplexität als Figur ausmacht.

Das ist schade, denn die lässige Rotzgören-Präsenz und die Cleverness der Figur sind es, die den Film über weite Strecken tragen. Ihre Aussagen haben Substanz und erreichen gerade durch ihre lässige Nicht-Präsentation eine absolut kultige Eigenheit. Aber viele von Stefanie Sargnagels größten Stärken – das Entlarven rechtspopulistischer Strategien, das Verstehen und Benennen linker Millennial-Ängste in einer Zeit von Political Correctness und Feminismus – werden im Film lediglich zitiert ohne sie wirklich zu bearbeiten. Fans werden einige der besten Schmähs im Film außerdem bereits kennen. Doch während das Beisl, der Gemeindebau und das Callcenter in den Social-Media-Schilderungen der Autorin ganz greifbar werden, handelt es sich im Film nun einmal um gespielte Szenen. Und diese büßen durch ihre Inszenierung eben auch an Authentizität und Biss gegenüber der literarischen Vorlage ein.

Fazit

Für Fans des derben sargnagelesken Humors ist „Sargnagel – Der Film“ ohne Zweifel Pflichtprogramm! Der Film bietet eine clevere Prämisse, eine äußerst coole Hilde Dalik, wird aber letzten Endes nicht von seiner selbstreflexiven Meta-Handlung oder dem Supporting Cast getragen, sondern von Stefanie Sargnagel herself. Und auch wenn der Film der Substanz und dem Tiefgang der Kunstfigur Sargnagel nicht immer gerecht wird, bietet er durchgängig gute Unterhaltung.

Bewertung

Bewertung: 6 von 10.

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Bilder: (c) © Golden Girls Filmproduktion / Filmladen